Kategorien
Briefe Eltern

Vater, 54

Ich will diese Erfahrung mitgeben:

„Bildung wird übereinstimmend gesehen als ein Prozess, Weg oder Ablauf in der Zeit. Dabei wird der Mensch von einem Zustand in den anderen geführt.“ Dieser philosophisch anmutende Satz passt, weil damit sichtbar wird: Das könnte Schule sein, in Realität bleibt davon fast nichts übrig. Zu dieser Erkenntnis bin ich mit meinem Sohn gelangt. Seit 14 Jahren lebt er auf dieser Welt und 6 Jahre lang habe ich sein Unbehagen über die Schule abgetan. Ich habe ihm mehrmals gesagt: Bei mir wars auch so, du bist schlau und du kommst da durch. Heute denke ich dass ich genauso mit ihm rede wie meine Eltern mit mir. Beziehungslos, ich will seinen Schmerz nicht sehen, ich will einfach, dass er es durchsteht weil ich keine Alternative habe. Was ich da mit ihm mache wird mir gerade bewusst, er wird zu einem Erwachsenen der sich zurückhält, der nicht handelt. Der Angst hat.

Vater, Essen, 54

Kategorien
Briefe Eltern

Mutter, 52

Keine Idee ist perfekt, auch die der Schule nicht. Ich bin Anwältin und wenn man erstmal Jura studiert hat denkt man an die Schule zurück und findet alles nur einfach. Bis ich letztes Jahr auf Empfehlung einer Therapeutin meines Kindes das Buch Vom Gehorsam zur Verantwortung gelesen habe, habe ich genau so gedacht und meine Kinder auch so behandelt. Mein ältestes Kind ist seit einem Jahr mit Depression zu Hause, nichts geht mehr. ALs sie krank wurde hat mich das eine Wut und Hilflosigkeit in mir ausgelöst, die mehr mit ihr als mit mir zu tun hatte. Ihre Depression habe ich als Provokation empfunden – ich reiße mich ein Leben lang zusammen aber mein Kind weigert sich dachte ich oft. In diesem unfassbar schweren Jahr wurde mir aufgezeigt, wie mein Kind ein Spiegel meiner eigenen Seele ist, ich habe verstanden mit was für einer Kälte und Angst vor Emotionen ich groß geworden bin und dass ein erfolgreiche Karriere in einem angesehnen Berufsfeld für mich den Wert gebracht hat, den ich als Mensch, als Kind nie bekommen habe. Mein Kind macht das nicht mehr mit und ist jetzt krank. Wenn es auf meine Stimme ankommen würde, um das Schulsystem zu verändern, dann will ich mitgeben, dass Schule Menschlichkeit, menschliche Qualität braucht. Ja wir können uns auch ohne entwicklen, aber dann wissen wir letztlich nicht wer wir sind. Und ich glaube unsere Kinder haben aktuell nur 2 Möglichkeiten: In der Anpassung unterzugehen wie ein Roboter oder nicht länger akzeptieren nicht zu wissen wer sie sind.

Mutter, Berlin, 52

Kategorien
Briefe Eltern

Mutter, 35

Über meine Schulzeit dachte ich lange Zeit neutral bis fröhlich zurück. Spaß, Klassenfahrten, Freundinnen daran habe ich gedacht. Genauso habe ich über meine Kindheit in meiner Familie gedacht. Es hat meine ganzen 20er gebraucht, um zu verstehen, dass beides überhaupt nicht gut war, weder die Schule noch das zu Hause. Woran ich mich erinnere sind Bilder, wie sie auch im Fernsehen sind – alle fröhlich alle lachen, eigentlich zu inhaltsleer. Und dann ist es mir aufgefallen, der Inhalt fehlt, weil der wirklich leer ist. Meine Kindheit und Jugend war in Wirklichkeit geprägt von einem mir fremd sein, von einem Gefühl den Erwartungen der Erwachsenen unbedingt gerecht werden zu wollen. Akzeptiert sein war das Wichtigste. Denn wie ich mich selbst akzeptiere, dass habe ich in der Schule nirgendwo gelernt. Jetzt bin ich Mama und ich sehe an meinem Kind täglich was mir sehr gefehlt hat: Erwachsene die mich sehen, die Vertrauen in mich haben und deren Vertrauen ich fühle, die mit mir zusammen versuchen herauszufinden wer ich bin. Ist Schule nicht der Ort um fürs Lebens zu lernen? Mir hat die Schule eher beigebracht nicht mehr zu lernen und für andere alles gut zu machen. Ich will auf keinen Fall, dass unser Kind das nochmal genauso erlebt und weiß gleichzeitig nicht was ich tun kann.

Mutter, 35

Kategorien
Briefe Eltern

Vater, 39

Wenn ich mit anderen Vätern über Schule spreche höre ich oft: Wir haben es so gut, in anderen Ländern ist Bildung immer noch ein Luxus, wir haben sogar Kinder die fürs Klima auf die Straße gehen dürfen. Ich denke dann: Hier versteht keiner Bildung, hier versteht keiner sich selbst und unsere Kindern gehen auf die Straße und fühlen sich verarscht von uns Erwachsenen und den Systemen die wir geschaffen haben.

„Bildung ist ein vielschichtiger, unterschiedlich definierter Begriff, den man im Kern als Maß für die Übereinstimmung des persönlichen Wissens und Weltbildes eines Menschen mit der Wirklichkeit verstehen kann“ – sagt Wikipedia. Ich soll also über die Welt lernen, persönliches Wissen aneignen und die Wirklichkeit verstehen. Großartig! Nur: Wie soll ich das lernen, wenn Lernen Erfahrung, reale Erlebnisse, reale Herausforderungen und reales Handeln braucht?

Mein Sohn zieht von einer künstlichen Welt in die nächste, von der Schule, in der er keine Erlebnisse sammelt und versucht sich vor Strafen und Abwertung zu schützen zum Computer, wo er zwar berührt wird und wichtig ist, aber kein Gespür für echtes Handeln und Fühlen bekommt.

Ich habe manchmal Angst. Wir Erwachsenen sind nicht ehrlich, wir Erwachsenen verstecken um jeden Preis unsere Fehler, wir führen unsere Kinder bei Fridays for Future vor, statt sie ernst zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen.

Vater, 39