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Schüler:innen

Leistung ohne SINN

Ich musste wohl erstmal mit dem Kopf gegen die Wand rennen.
Leistung ohne SINN – so habe ich meine Schullaufbahn erlebt. Mein Selbstwert als Spiegel meiner Noten, ohne die Frage:
„Wofür mache ich das? Warum reiße ich mir jeden Tag den Ar*ch auf?“und dabei ständiges Lob für meine herausragenden Leistungen, die mich schlussendlich zu einem Abitur mit Abschluss 1,0 trugen. Ob es das wert war, frage ich mich häufig. Ich habe meiner schulischen Leistung wohl so ziemlich Alles untergeordnet und hatte regelrecht eine „Sucht nach guten Noten“, denn als guter Schüler wurde ich gesehen und geliebt.
Leider war das nicht besonders nah an meinem eigentlichen Wesen und vermutlich bin ich gar nicht der perfekte Schüler, der ich versuchte zu sein und auch dies war wohl ein weiterer kleiner Hilfeschrei meiner Seele, um nicht hinsehen zu müssen, dass ich innerlich schon längst zerrissen war und auch mein Perfektionismus war nicht mehr, als ein Werkzeug, um mich am „Über“leben zu halten.
Schade, dass es dazu kommen musste und dennoch bin ich dankbar dafür und sehe in der Initiative „RealLabor – Leipzig“ die große Chance, dass das, was ich oben geschildert habe, nicht zwingend passieren muss. Wir haben alle Talente, Qualitäten und sind einzigartig. Wir passen in kein Muster und kein Raster, also sollten wir uns doch auch nicht dadurch zwingen? Leider werden wir dies im Alltag jedoch fast ausschließlich und wir werden zu „funktionierenden Robotern“ im System. Wir verlieren Kreativität, Diversität und die Einzigartigkeit.
Was dabei rumkommt?
Junge Menschen, denen der SINN fehlt und die schon von weitem leblos aussehen – so als hätte man ihnen die Seele aus dem Leib gerissen. So war es auch bei mir. Nach meinem sehr guten Abitur folgte ein Maschinenbaustudium an der renommierten RWTH in Aachen und irgendwann holte mein fehlender Selbstwert und
die Überforderung mich ein. Natürlich lagen die Ursachen für diesen steinigen Weg viel tiefer in mir drin und doch fühlte ich mich in Schule und auch Uni nie als Mensch verstanden, sondern eher als „High-Performer“.
Was folgte, waren schwere Depressionen, ein Klinikaufenthalt und eine riesige Lebenskrise. Das wünsche ich meinem größten Feind nicht und es liegt in unser aller Verantwortung zukünftig dafür zu sorgen, dass wir gesunden Selbstwert vorleben und vermitteln.
Heute studiere ich Psychologie und lebe ein sicherlich bewussteres Leben, auch wenn die Wunden der Vergangenheit immer mal wieder aufklaffen. Jedoch würde ich behaupten, dass ich nun einen SINN in meinem Leben gefunden habe und gemäß Viktor Frankls Idee der Logotherapie, die ich sehr unterstütze, ist dies eine noch wichtigere Grundlage für menschliches Leben als „das Brot zum Essen“.

Luca Bischoni, 22: Psychologie-Student und Autor von „Als man mir den Stecker zog“

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Briefe Lehrer:innen

Lehrerin, 42

Ich bin Lehrerin und als ich diese Frage gelesen habe wurde ich extrem wütend. Seit ich als Lehrerin arbeite gebe ich alles um meinen Schülern dabei zu helfen sich so gut zu entwickeln wie möglich. Ich habe gekocht vor Wut, was wollt ihr noch? Ich habe dann nachgedacht. Ich bin wütend geworden, weil diese Frage mich angegriffen hat. Wollte sie wahrscheinlich nicht, aber hat sie. Die Frage hat mir klar gemacht wie unendlich allein und hilflos ich mich fühle obwohl das Bildungssystem doch wie jedes „System“ aus Menschen besteht die etwas ändern könnten. Warum tun wir aber nichts??

Ich laufe seit Jahren durch das Schulsystem mit dem Gedanken: Mein Beruf besteht eigentlich nur daraus täglich meine Pflicht des Lehrens abzuliefern. Ein Bruchteil davon was ich täglich tue entspricht dem was Bildung eigentlich soll: Bezug nehmen zur Welt, sich damit auseinandersetzen, Möglichkeiten schaffen, um sich selbst kennenzulernen. Ich fühle mich nicht gesehen und meine Schüler genauso wenig, mir fehlt die Wertschätzung, mir fehlt die Unterstützung und weil ich beides nicht habe kann ich nur ganz wenig davon meinen Schülern geben.

Jetzt kommt die Scham und der Gedanke: Soll ich mich jetzt auch noch hier öffentlich blamieren und das zugeben? Trotzdem habe ich mich entschieden diesen Text zu schicken. Wir Lehrpersonen brauchen Raum uns endlich auch zu entwicklen und zu entfalten, um gut behandelt zu werden.

Wir brauchen Platz, wie sollen sich sonst die Kinder entwickeln?

Lehrerin, 42

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Briefe Lehrer:innen

Lehrer, Felix

Ich nutze diese Möglichkeit meine Meinung zu äußern, weil ich den Sarkasmus, den Zynismus und die Witze meiner KollegInnen so leid bin. Wir lachen über alles: Lehrermangel, Stress, psychische Belastung, die Sinnlosigkeit, die eine Note für uns hat und den sozialen Druck den Noten verursachen, die ständigen Anforderungen, die wir LehrerInnen ohne Unterstützung bewältigen, aber mit ein paar netten Worten (von einer zuständigen Behörde) bewältigen sollen. Wir lachen darüber und ich weiß trotzdem in mir, dass ich erschrocken und verzweifelt bin.

Aber nicht mal darüber können wir miteinander im Kollegium reden, weil wir keine Zeit haben, weil unser Miteinander nur so stark ist wie unsere sarkastischen Witze. Wenn ich also was mitgeben will an eigenen Erfahrungen, dann ist es ein Appell an die Lehrerinnen und Lehrer: Fangen wir an uns ernst zu nehmen, fangen wir an zusammen zu arbeiten.

Lehrer, Felix, 33

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Briefe Eltern

Vater, 54

Ich will diese Erfahrung mitgeben:

„Bildung wird übereinstimmend gesehen als ein Prozess, Weg oder Ablauf in der Zeit. Dabei wird der Mensch von einem Zustand in den anderen geführt.“ Dieser philosophisch anmutende Satz passt, weil damit sichtbar wird: Das könnte Schule sein, in Realität bleibt davon fast nichts übrig. Zu dieser Erkenntnis bin ich mit meinem Sohn gelangt. Seit 14 Jahren lebt er auf dieser Welt und 6 Jahre lang habe ich sein Unbehagen über die Schule abgetan. Ich habe ihm mehrmals gesagt: Bei mir wars auch so, du bist schlau und du kommst da durch. Heute denke ich dass ich genauso mit ihm rede wie meine Eltern mit mir. Beziehungslos, ich will seinen Schmerz nicht sehen, ich will einfach, dass er es durchsteht weil ich keine Alternative habe. Was ich da mit ihm mache wird mir gerade bewusst, er wird zu einem Erwachsenen der sich zurückhält, der nicht handelt. Der Angst hat.

Vater, Essen, 54

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Briefe Eltern

Mutter, 52

Keine Idee ist perfekt, auch die der Schule nicht. Ich bin Anwältin und wenn man erstmal Jura studiert hat denkt man an die Schule zurück und findet alles nur einfach. Bis ich letztes Jahr auf Empfehlung einer Therapeutin meines Kindes das Buch Vom Gehorsam zur Verantwortung gelesen habe, habe ich genau so gedacht und meine Kinder auch so behandelt. Mein ältestes Kind ist seit einem Jahr mit Depression zu Hause, nichts geht mehr. ALs sie krank wurde hat mich das eine Wut und Hilflosigkeit in mir ausgelöst, die mehr mit ihr als mit mir zu tun hatte. Ihre Depression habe ich als Provokation empfunden – ich reiße mich ein Leben lang zusammen aber mein Kind weigert sich dachte ich oft. In diesem unfassbar schweren Jahr wurde mir aufgezeigt, wie mein Kind ein Spiegel meiner eigenen Seele ist, ich habe verstanden mit was für einer Kälte und Angst vor Emotionen ich groß geworden bin und dass ein erfolgreiche Karriere in einem angesehnen Berufsfeld für mich den Wert gebracht hat, den ich als Mensch, als Kind nie bekommen habe. Mein Kind macht das nicht mehr mit und ist jetzt krank. Wenn es auf meine Stimme ankommen würde, um das Schulsystem zu verändern, dann will ich mitgeben, dass Schule Menschlichkeit, menschliche Qualität braucht. Ja wir können uns auch ohne entwicklen, aber dann wissen wir letztlich nicht wer wir sind. Und ich glaube unsere Kinder haben aktuell nur 2 Möglichkeiten: In der Anpassung unterzugehen wie ein Roboter oder nicht länger akzeptieren nicht zu wissen wer sie sind.

Mutter, Berlin, 52

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Briefe Eltern

Mutter, 35

Über meine Schulzeit dachte ich lange Zeit neutral bis fröhlich zurück. Spaß, Klassenfahrten, Freundinnen daran habe ich gedacht. Genauso habe ich über meine Kindheit in meiner Familie gedacht. Es hat meine ganzen 20er gebraucht, um zu verstehen, dass beides überhaupt nicht gut war, weder die Schule noch das zu Hause. Woran ich mich erinnere sind Bilder, wie sie auch im Fernsehen sind – alle fröhlich alle lachen, eigentlich zu inhaltsleer. Und dann ist es mir aufgefallen, der Inhalt fehlt, weil der wirklich leer ist. Meine Kindheit und Jugend war in Wirklichkeit geprägt von einem mir fremd sein, von einem Gefühl den Erwartungen der Erwachsenen unbedingt gerecht werden zu wollen. Akzeptiert sein war das Wichtigste. Denn wie ich mich selbst akzeptiere, dass habe ich in der Schule nirgendwo gelernt. Jetzt bin ich Mama und ich sehe an meinem Kind täglich was mir sehr gefehlt hat: Erwachsene die mich sehen, die Vertrauen in mich haben und deren Vertrauen ich fühle, die mit mir zusammen versuchen herauszufinden wer ich bin. Ist Schule nicht der Ort um fürs Lebens zu lernen? Mir hat die Schule eher beigebracht nicht mehr zu lernen und für andere alles gut zu machen. Ich will auf keinen Fall, dass unser Kind das nochmal genauso erlebt und weiß gleichzeitig nicht was ich tun kann.

Mutter, 35

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Briefe Eltern

Vater, 39

Wenn ich mit anderen Vätern über Schule spreche höre ich oft: Wir haben es so gut, in anderen Ländern ist Bildung immer noch ein Luxus, wir haben sogar Kinder die fürs Klima auf die Straße gehen dürfen. Ich denke dann: Hier versteht keiner Bildung, hier versteht keiner sich selbst und unsere Kindern gehen auf die Straße und fühlen sich verarscht von uns Erwachsenen und den Systemen die wir geschaffen haben.

„Bildung ist ein vielschichtiger, unterschiedlich definierter Begriff, den man im Kern als Maß für die Übereinstimmung des persönlichen Wissens und Weltbildes eines Menschen mit der Wirklichkeit verstehen kann“ – sagt Wikipedia. Ich soll also über die Welt lernen, persönliches Wissen aneignen und die Wirklichkeit verstehen. Großartig! Nur: Wie soll ich das lernen, wenn Lernen Erfahrung, reale Erlebnisse, reale Herausforderungen und reales Handeln braucht?

Mein Sohn zieht von einer künstlichen Welt in die nächste, von der Schule, in der er keine Erlebnisse sammelt und versucht sich vor Strafen und Abwertung zu schützen zum Computer, wo er zwar berührt wird und wichtig ist, aber kein Gespür für echtes Handeln und Fühlen bekommt.

Ich habe manchmal Angst. Wir Erwachsenen sind nicht ehrlich, wir Erwachsenen verstecken um jeden Preis unsere Fehler, wir führen unsere Kinder bei Fridays for Future vor, statt sie ernst zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen.

Vater, 39

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Briefe Schüler:innen

Bauchschmerzen

Für mich war Schule, jeden weiteren Schultag früh aufzustehen und mit Bauchschmerzen in die Schule gehen zu müssen. Und nachmittags nach der Schule nach Hause zu kommen und zu weinen. Ich hatte Angst in die Schule zu gehen

Von: Anonym 2

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Briefe Schüler:innen

Neues Jahr, neues Glück, nicht wahr?

23:40 Uhr.

Ich schreibe alle meine Sorgen und Ängste auf, um sie vor dem neuen Jahr loszuwerden.

23:50 Uhr.

Ich merke, dass fast alle meiner Sorgen und Ängste um das Thema Schule kreisen.

Ich habe Angst, dass ich die Schule nicht schaffe.

Ich habe Angst, dass ich nicht genug gelernt habe.

Ich habe Angst, dass ich kaputt gehe.

23:55 Uhr.

Ich merke, dass auf meinem Blatt kein Platz mehr ist.

Und mir fällt aber trotzdem noch so vieles ein.

Es gibt noch so vieles, was ich loswerden möchte.

Es gibt noch so vieles, was mir nicht passt und was ich gern ändern würde.

Aber mir fehlt die Kraft, denn habe so viele Sorgen und Ängste.

00:00 Uhr.

Frohes neues Jahr!

Ich wünsche mir, dass die Schule ein schönerer Ort wird, an dem man sich wohlfühlt und gerne ist.

Ich wünsche mir, dass der Leistungsdruck geringer wird, wir Schülerinnen sind auch bloß kleine Menschen.

Ich wünsche mir, dass wir Lerninhalte vermittelt bekommen, die im Leben nützlich sind.

Ich wünsche mir, dass die Schulgemeinschaft enger zusammenarbeitet, um alle meine (und die aller SchülerInnen) Wünsche erfüllen zu können.Ich bin bereit! Du auch?

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Briefe Schüler:innen

Fassade

Wie fühle ich mich wirklich … Das ist eine Frage, die ich heule zum ersten Mal ehrlich beantworten werde – scheiße. Es ist nicht, dass ich einen wirklichen Grund hätte mich seit jetzt knapp drei Jahren so zu fühlen. Im Gegenteil, ich habe eigentlich ein gutes Leben, teilweise stabile Familie, eine schöne Wohnung und genug Geld um gut über die Runden zu kommen. 

Aber dann ist da diese langanhaltende Traurigkeit und Leere. Tag für Tag, ohne Pause. Meine Freunde oder Bekannte würden mich wahrscheinlich als glücklichen, fröhlichen immer lachenden Menschen bezeichnen – Fassade. Es war und ist der Schulstress, welcher mir solchen Druck macht und mich unglücklich macht. Schule ist für mich die reinste Qual- nur lernen, nur Leistungsdruck, dem du am Ende eh nicht gerecht wirst. Ich bin froh, dass endlich so etwas kam, ich habe mich nie getraut es jemandem zu sagen oder mit jemanden zu sprechen, da ich nie wusste,  wie viele so fühlen.

Schülerin 13 Jahre- seit dem Wechsel aufs Gymnasium keinen Spaß mehr am Leben