Liebe Mitmenschen,
als ich meinen ersten Brief vor 1 ½ Jahren geschrieben habe, habe ich geweint. Und auch jetzt ist mir zum Weinen zumute.
Ich bin auch 3 Monate nach dem Schulabschluss noch sehr geschockt von meinen Erlebnissen dort.
Ich kann nicht sagen, dass ich in der Schule nichts gelernt habe. Ich habe auf krankhafte Art und Weise, verschiedene Dinge in meinen Kopf gestopft.
Und jetzt habe ich nichts davon.
Ansonsten fallen mir nur Dinge ein, die ich in der Schule verlernt habe: Naturverbundenheit, offen zu sein, Liebe, Wertschätzung zeigen, mit Dank und Kritik umzugehen, Spaß haben, Teamarbeit und das Schlimmste: Fühlen.
Die meisten Kinder und Jugendliche werden in der Schule kaputtgemacht. Durch Einstuhlung, durch Zeitdruck, durch Verallgemeinerung und durch unsensibles Lernen.
Alles daran ist falsch und ich bin empört darüber.
Ich bin empört über den Zustand unseres Bildungssystems, von dem alle wollen, dass es besser wird. Aber die Lösung dafür soll es sein, das alte System anzupassen. Völlig absurd, wenn man bedenkt, wie krank unser System ist. Da muss man nicht nur etwas Kleines hier und da ändern, da muss man rebellieren! Da muss man sich auflehnen! Und wenn von oben nichts kommt, dann muss etwas von unten, von uns kommen.
Ich habe eine Vision.
Als erstes stelle ich mir die „Lernorte“ als bunte und fröhliche Gebäude vor. Sie sind groß, aber nicht, um Angst zu erwecken, sondern um Freiheit für das Lernen sowohl zu bieten als auch zu symbolisieren. Um das Gebäude herum wachsen viele Bäume und die Schüler*innen pflanzen mit ihren Begleitpersonen schöne Blumenwiesen an, weil sie gelernt haben, dass das Insektensterben ein riesiges Problem ist.
Das nächste ist, dass das Lernen nicht nur für die Schüler*innen gilt, sondern für alle, die am Schulleben teilnehmen. Da die Lehrerkräfte nun eher Begleiter*innen oder Coaches sind, werden sie nicht mehr als die Allwissenden dargestellt. Das hat auch zur Folge, dass es in diesem Schulsystem keine Hierarchie gibt, die Menschen dazu befähigt, Macht auszuüben. Deswegen ist das Schulklima wesentlich besser und es herrscht eine familiäre Stimmung.
Außerdem ist in der Schule das Menschsein die höchste Priorität. Das bedeutet, dass Kinder und Jugendliche über den Menschen nicht nur körperliche Merkmale lernen, sondern auch innere Werte und Gefühle kennen. Des Weiteren lernen alle, wie man seine Meinung kundtut. Sie haben also eine Stimme, wodurch sie auch gesellschaftlich eine größere Lobby erhalten.
Es stehen in meiner Vorstellung nur noch adäquate Lerninhalte auf der Tagesordnung, die regelmäßig angepasst werden, um garantieren zu können, dass das Bildungssystem tatsächlich auf die Zukunft vorbereitet.
Alles in allem ist meine Schule der Zukunft ein bunter Ort mit positiver Energie, die Lust auf das Lernen macht.
Ein weiterer Grund dafür ist, dass es keine Benotung gibt und die Kinder nicht durch Drohung mit Bewertung „motiviert“ werden. Mithilfe von regelmäßigen Selbsteinschätzungen der Schüler*innen werden sie bewertet. Ziel dabei ist es, dass alle ihre eigenen Stärken kennen und ihnen die Schwächen bewusstwerden, um dann daran arbeiten zu können. So werden die Kinder zur stetigen Transformation ihrer selbst und damit auch ihrer Umgebung motiviert.
Wir sollten uns ein Beispiel an diesen Kindern und Jugendlichen nehmen, die in meiner Vision spielend in der Natur lernen und so viel über das Menschsein wissen. Wir müssen wieder zu unserer Menschlichkeit finden!
Ich wünschte, ich könnte noch einmal von vorn anfangen und auch so lernen, wie die Kinder der Zukunft.
Danke!
Josi, Schülerin